Speestrasse 43a
D - 40885 Ratingen-Lintorf
andas@kunstbuedchen.online
Eröffnung am Sonntag, den 10.09.2023 um 15 Uhr
Finissage am Sonntag, den 12.11.2023 um 18 Uhr
HORIZONT (zweiteilig)
2 Leinwände jew. 210 x 285 cm
Acryl/Nessel
Lampe, Klingel, Gong, Schild mit Ausstellungsdaten und rückseitig QR-Code (Siebdruck auf MDF), Motor, Funkempfänger, Schaltkasten, Textposter, T-Shirts mit Ausstellungstitel/QR-Code/KunstBüdchen-Logo
Fotografie: Maximilian Kandora, Birgit Jensen
Pressetext:
"Wie eine Dunstglocke legen sich die Klimagase um die Erde. Dem Glasdach eines Treibhauses ähnlich, lassen sie kurzwelliges Sonnenlicht durch, reflektieren die langwellige Wärmestrahlung aber zurück zur Erde; die Wärme wird gefangen; der Planet erhitzt sich."
Vielschichtig ist die Arbeit 'waiting for the bus' der Düsseldorfer Künstlerin Birgit Jensen, die am Sonntag, 10. September 2023 im KunstBüdchen eröffnet wurde.
Zunächst einmal sieht der Betrachter eine diagonal aufgebaute riesige Leinwandarbeit der Künstlerin, die viel zu groß für den kleinen Raum ist und irgendwie fehl am Platz zu sein scheint. Die Arbeit zeigt eine Landschaft, unten Schwarz, darüber eine dünne Horizontlinie, ganz weit weg, in Rot-, Orange- und Gelbtöne getaucht, auf die sich der bläulich-schwarze Himmel niederlegt. Vereinzelte weiße Tupfen erwecken die Assoziation von Lichtern, Hinweise auf menschliches Leben? Die fast surreal, geheimnisvoll und unwirtlich anmutende Landschaft scheint in ihrer Endlosigkeit in den Tiefen des Büdchens zu verschwinden.
Belebt wird die Szenerie erst, wenn ein eigens dafür von der Rheinbahn eingerichtetes Gerät Funksignale aus dem bestehenden Netz empfängt, die den nahenden Bus ankündigen, dessen Haltestelle sich unmittelbar vor dem Büdchen befindet. Erst dann dreht sich das Schild im Schaufenster, so dass ein QR-Code sichtbar wird, der von den an der Bushaltestelle Wartenden mit dem Handy gescannt werden kann. Gleichzeitig ertönt eine Glocke, um die Aufmerksamkeit auf das Geschehen im Büdchen zu lenken.
Das Video, das über den QR-Code abgerufen wird, zeigt zunächst einen Ring, der sich mit herunterzählendem Countdown auflöst und so den Start der winzigen Raumschiffe markiert. Sie steigen in den Himmel auf und verlassen die unwirtliche Landschaft, die Erde, das Handy-Bild. Inzwischen ist der Bus da, die Fahrgäste steigen ein, der Bus verlässt den Haltepunkt und das Schild im Schaufenster des Büdchens nimmt wieder seine Ausgangsposition ein.
Dieser immer gleiche Ablauf wiederholt sich entsprechend den Ankunftszeiten der Linienbusse wie ein Räderwerk. Installation und Busverkehr synchronisieren sich für einen Moment und ermöglichen das Umsteigen in eine andere Welt.
Die Fahrgäste, die Teil dieser Maschinerie und dieses immer gleichen Ablaufs des Wartens, Abfahrens und Ankommens sind, werden in den Minuten unmittelbar vor Ankunft des Busses in die fiktive Szenerie des Video-Clips mit fliehenden Raumschiffen entführt.
Die Wartenden werden zu Betrachtenden und kehren mit ihren Eindrücken gewonnen aus der Welt der Installation der Künstlerin Birgit Jensen zurück in ihre eigene Realität.
Vielleicht nachdenklicher, vielleicht aufmerksamer….
Unser besonderer Dank gilt der Rheinbahn, die die technische Umsetzung der Installation ermöglichte.
(Sabine Tünkers)
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Der folgende Text von Beatriz V. Toscano ist Teil der Ausstellung (english translation see below):
Warten aufs Signal
Eine Reflektion zur Ausstellung ‚waiting for the bus‘ von Birgit Jensen
im KunstBüdchen Lintorf
Beatriz V. Toscano
Diejenigen, die bleiben: Die Bushaltestelle Am Löken
Zu sehen ist die durchgehende Linie des Horizonts. Eine in Licht getauchte Landschaft, hellrot, vielleicht orange, künstlich in ihrer Schönheit und seltsamen Heiterkeit, gleichzeitig trostlos, auf einer schwarzen Grundfläche. Mitten im Nirgendwo und in der Luft schwebend, der Geist eines Ringes, der sich im Takt eines Countdowns schließt, der mit jeder abnehmenden Sekunde andeutet, dass etwas Unabwendbares, etwas Ernstes passieren wird. Ende des Countdowns. Es gibt keine Explosionen, keine großen Brüche, keine Erlösung. Während sich winzige Raumschiffe, die ihre Chance nicht verpassen wollen, in die Luft erheben und verschwinden, hebt der Passant und Zuschauer den Blick, seufzt mit der Lustlosigkeit dessen, der auf den Bus wartet und steigt ein. Immer wieder kommen neue Menschen, sie warten. Der Bus kommt pünktlich an. Der Clip wiederholt sich und spielt wieder und wieder dieselbe Szene. Durch diese ewige Wiederkehr des Busses scheint es, als würde nie etwas passieren; die Reisenden sind in einer Zeitschleife gefangen. Die Raumschiffe versäumen es jedoch nicht, den Ort zu verlassen; so begreifen wir endlich, dass dieser der Ort der Zerstörung ist. Auf den Bus wartend bleiben die unbedarften Pendler, die von den entweichenden Raumschiffen offensichtlich nichts mitbekommen (wir nehmen an, dass sie in ihre Smartphone-Bildschirme vertieft sind), hilflos zurück.
Mit diesen Szenen - die eine von dem Clip der aus der apokalyptischen Einöde entfliehenden Raumschiffe, die andere von den banalen Wechselfällen des Haltes und Wartens am Büdchen - wird die Installation der Künstlerin Birgit Jensen für das KunstBüdchen in Lintorf wie ein Alarmsignal wahrgenommen: Wacht auf! Die Intention der Arbeit wird klarer, wenn wir die verschiedenen Episoden (nämlich der Bus, der das Signal an die Haltestelle sendet, der digitale Zugangscode für die Reisenden zum Video, die drängende Szene von etwas, das im Countdown endet), im Sinne eines Kontrasts zwischen der Dringlichkeit des Clips und der Langeweile eines Busses, der immer ankommt, betrachten. An die "metamatischen" Ketten erinnernd, mit denen sich Jean Tinguely amüsierte, indem er uns zu schelmischen Zuschauern der kosmischen Gesetze von Kausalität und Bewegung machte, deutet hier die Installation auf düstere Weise auf das System der Funksignale hin, mit denen die Busse das Verkehrsnetz über ihre unmittelbare Ankunft informieren. Auf diese Weise reproduziert die Installation jene Art von Cyborg-Semiotik, durch die die städtische Umgebung mit den Prozessen und Objekten in ihr kommuniziert. Die Installation skizziert eben diese Kettenreaktion: Der Bus nähert sich dem Punkt Am Löken. Eine Minute vor seiner Ankunft sendet er ein Funksignal an die Haltestelle, an der sich ein ehemaliger Kiosk, das KunstBüdchen, mit einem komplizierten Funkempfänger befindet. Der Alarm wird ausgelöst, synchronisiert mit einer skurrilen Mechanik, die einen QR-Code sichtbar werden lässt. Getrieben vom Automatismus einer anspruchslosen Neugier, die wir durch das Virtuelle erreicht haben, verbinden sich die Fahrgäste, apathisch, durch diesen Code mit einem Video. Ein Video, das genauso lange dauert, wie der Bus braucht, um anzukommen. Der Countdown, die fliehenden Raumschiffe, anonyme Reisende, die ein- und aussteigen. Es passiert nie etwas, der Bus kommt immer zurück. Aber dieser Bus, die Haltestelle, Godot, das wissen wir bereits, ist nur ein anderer Name, den wir gefunden haben, um den Tod zu benennen, oder besser gesagt, um zu vermeiden, ihn zu benennen.
Mit diesem Spiel der Erfahrungsräume, den vermeintlich fiktiven Räumen des Videos, die sich in die Szenen des realen, alltäglichen Lebens einweben, will ‚waiting for the bus‘ durch die Ritzen unserer blinden Flecken schlüpfen; jener bequemen, schattigen Orte, an denen unser Bewusstsein ruht und von denen aus wir nichts tun wollen. Aber wie ich schon sagte, enthüllt dieses Werk seinen drängenden Inhalt nur subtil und in Etappen. Ein kurzer Überblick über das bildnerische Vokabular von Birgit Jensen offenbart eine hintergründige Botschaft. Man denke zum Beispiel an ihre mit Hilfe des Siebdruckverfahrens hergestellten Leinwände, auf denen ein eindringliches Motiv, eine diffuse Stadtlandschaft, durch eine Art numerischen und verpixelten Schleier, der verhindert, dass wir das Bild überhaupt fixieren können, zu erahnen ist. Die Stadt bietet sich uns nicht durch ihre verständlichen, klaren und tektonischen Konturen an, sondern durch den flüchtigen Eindruck, den ihre ephemere Existenz als Lichtblitz auf unserer Netzhaut hinterlässt. Getreu der reinsten Handwerkskunst, die am Ursprung der Kunst steht, verzichtet Birgit Jensen jedoch nicht auf die Materialität und Direktheit des Drucks mit der Farbe auf Leinwand, durch den das Bild in seine reinste und direkteste Körperlichkeit zurückgeführt wird. Ihre Leinwände entstehen als analoge Spur und dank derselben digitalen Techniken, die umgekehrt in der Lage sind, die Realität in die numerische Matrix des Codes zu übersetzen. Auch in ‚waiting for the bus‘ liegt der Schlüssel, der Auslöser im QR-Code, dieser wunderbaren Schwelle und dem Eingang zum Tunnel, durch den zwischen dem Video, der Umgebung, dem mobilen Gerät und natürlich dem Bewusstsein des Reisenden, auf den das Werk einwirken will, eine Verbindung hergestellt wird. Sie schaffen es schließlich, einander zuzuhören. Es geht um das Einbringen einer Sprache jenseits des Figürlichen, um die Öffnung eines Kommunikationskanals, der prägnant und effektiv ist. Mit dem Pixel als irreduzibler Einheit, durch die die Realität in Form eines numerischen Codes zu uns spricht, und mit dem QR-Code als dessen virtueller Version, spüren wir, dass wir es hier mit etwas Wichtigem zu tun haben, das es zu ‚ent-ziffern‘ gilt.
Und wie könnten wir die Konstante des Kreises, der Scheibe, der Kugel, des Rings ignorieren; eine allgegenwärtige und metaphysische Präsenz in so vielen von Birgit Jensens Werken und, wie ich meine, ein weiterer Schlüssel zum Verständnis dessen, was ‚waiting for the bus‘ uns sagen will.
Ein Kreis taucht auf als Nimbus in einer Lichtinstallation der Künstlerin an der Wand eines Gebäudes in Flensburg [Ringförmige Leuchtstoffröhre, Installation auf der Eingangsfassade der Fridtjof-Nansen-Schule, Flensburg, 2000], oder als Mond auf einer Waldlichtung, der in der Ferne zu schweben scheint, oder wie hier in Lintorf als sich schließender Kreis auf dem drängenden Zifferblatt der ablaufenden Zeit. Losgelöst von jeglicher Szenografie erscheinen Kreis, Scheibe und Zifferblatt von jener rätselhaften Erhabenheit durchdrungen, die dem Apotropäischen, dem Unheil abwendenden, eigen ist. Der Kreis, die absolute geometrische Figur, die sich mit ihrer Anwesenheit auf einer Leinwand geradezu aufdrängt, erinnert teilweise an jenen radikalen Impuls, mit dem Malewitsch (1915 Tretjakow, Moskau) mit einem schwarzen Quadrat in der Mitte einer Leinwand beschloss, die Malerei und damit die Figuration auf ihren kategorischen und unwiderlegbaren Nullpunkt zurückzuführen. Der Titel der Ausstellung in Petrograd, wo dieses Bild zum ersten Mal zu sehen ist, heißt 0.10. Hier beginnt die geometrische Figur des Gemäldes in ihrer Prägnanz und Universalität ihre Botschaft zu offenbaren. Ja, auch in Code und Chiffre. Die Autorin Linda Boersma, die diese erste Ausstellung einer Bewegung, die später Suprematismus genannt werden sollte, dokumentiert hat, zitiert Malewitschs Idee: Die Null (kurz: der Kreis) ist eine Denkfigur und bedeutet, dass sich die suprematistische Malerei an der Schwelle zu einer drohenden Zerstörung der Welt erkennt. 1914 ist Russland bereits in den Ersten Weltkrieg eingetreten.
Wir können daraus schließen oder zumindest vermuten, dass die Null, der Ring, der Code und Lintorfs Haltestelle vor einer bevorstehenden Zerstörung warnt. Eine Zerstörung, bei der es sich in diesem Fall nur um eine klimatische Notlage und eine planetarische Katastrophe handeln kann.
Diejenigen, die gehen: Mission SpaceX
Unweit von Austin, im Bundesstaat Texas, hat Elon Musk ein 2500 Hektar großes Grundstück erworben, um dort eine Siedlung zu errichten, in der die Belegschaft seines Unternehmens Tesla, Space X und der kürzlich gegründeten Firma Boring, die sich dem Bohren von Tunneln widmet, untergebracht werden soll. Damit reiht sich Musks idyllisches Snailbrook in das Bestreben so vieler Magnaten im Laufe der Geschichte ein, den „faulen und verdorbenen Gesellschaftskörper“ im Sinne der Utopie des ora et labora zu reformieren. Die Geschichtsschreibung berichtet, dass es in den meisten dieser Kolonien keine Kneipen, Klubs oder andere Einrichtungen gab, die im Verdacht stünden, gewissenhaften Zeitvertreib jenseits der rationalen Kontrolle ihrer Gründer zu fördern. In Bezug auf die Jesuitenmissionen in Lateinamerika weist Michel Foucault darauf hin, wie dort das Ideal der menschlichen Vollkommenheit erreicht wurde. Sie versuchten, die Zivilisation Ex-nihilo neu zu gründen, jenseits des Staates, den sie für korrupt, abgenutzt und zu freizügig. Aber diese Art von Kolonien "außerhalb der Zivilisation" mit Gemeinschaften, die Ex-nihilo geschaffen wurden, sind auch die tektonische Materialisierung, der Inbegriff des Konzepts der Flucht. Es ist nicht verwunderlich, dass man sie auf Deutsch ‚Aussteiger-Gemeinschaften‘ nennt; es sind Zusammenschlüsse von Menschen, die genug haben und vom Dreck der Welt die Nase voll haben.
Mit Boring, das sich dem Graben von unterirdischen Tunneln widmet, und im Lichte von Space X, das sich der Konstruktion von Raumschiffen widmet, um eines Tages (am Tag 0,1 nach der Zerstörung des Planeten) den Mars zu kolonisieren, könnte man sagen, dass Musks unternehmerische Tätigkeit von demselben Impuls eines wahnhaften und narzisstischen infantilen Wunsches geprägt ist, sich zu verstecken oder zu entkommen und die unbekannten galaktischen Prärien zu kolonisieren. Mit Tunneln und Raumschiffen als den beiden wiederkehrenden architektonischen Konkretionen ist es eine abwechselnde Rückkehr aus dem warmen Schutz der Gebärmutterhöhle zu jener totalen und furchteinflössenden Offenheit, die das Universum ist, angetrieben von der unerträglichen Spannung zweier widersprüchlicher Emotionen: Angst und Größenwahn.
Mit seinen Reihen quadratischer Häuser, seinen biederen Siedlungen und Grünflächen ist Snailbrook ein unbeholfenes Experiment jener anderen Utopie, des unglaublichen EPCOT, mit dem Walt Disney am Tag 0.1 unter dem Schutz riesiger und friedfertiger Kuppeln (Blasen) den Fortbestand des amerikanischen Traums garantieren wollte. Wie die Arche Noah, die unter den Kreationisten des sogenannten Bibelgürtels als untrügliches Symbol für die Flucht und Rettung der Auserwählten gilt, ist auch EPCOT mit dem unaussprechlichen Siegel der Zerstörung beschriftet. Zu fliehen ist ein Privileg, und die erbärmlichen Raumschiffe in Birgit Jensens Videoclip wissen, dass sie Deserteure eines Endes ohne Ende sind, denn wir wissen heute schon, dass der Planet weiter existieren wird, geronnen in der Zeit wie ein riesiger bräunlicher Fels mit orangefarbenen Sonnenuntergängen und einer giftigen Atmosphäre. Deshalb verknüpft Musk bei der Erläuterung seines Projekts Space X die Zerstörung des Planeten an die Notwendigkeit, zu fliehen und den Mars zu besiedeln (siehe: SXSW).
Die Architektur hat zusammen mit anderen Formen der Technologie dazu beigetragen, dass ein solches Privileg realisierbar ist. In den Mauern eines beeindruckenden florentinischen Herrenhauses scheint die Zeit für eine Gruppe fröhlicher junger Menschen stehen geblieben zu sein, die dort Zuflucht vor der Pest gefunden haben, die die Stadt heimsucht, wie Boccaccio schreibt. Um sich die Zeit zu vertreiben, unterhalten sie sich mit pikanten und amourösen Geschichten. Daraus entsteht das Decameron. Währenddessen fällt die florentinische Bevölkerung dem Schwarzen Tod zum Opfer.
Und auch diejenigen, die gehen, sind in einer Zeitschleife gefangen. Als Buñuel uns am Ende von ‚Der Würgeengel‘ zurück lässt, erinnert uns der scheinbare Komfort des Schutzes daran, dass es keinen Ausweg gibt. Tatsächlich wissen die drei Gäste in Huis Clos (Sartre) in einem Zimmer ohne Ausweg, einem nihilistischen Porträt einer Auflösung, die nie kommt, nicht, dass sie bereits tot sind.
Der Planet ist zerstört. Diejenigen, die zurückbleiben, wollen es ignorieren und kehren zu ihren täglichen Aufgaben zurück, um sich an die Unbilden einer immer knapper werdenden Welt anzupassen. Diejenigen, die gehen, betört vom Wahn des Über-Ichs, wissen nicht, dass auch sie bereits tot sind. Auch wenn Birgit Jensen auf die obszöne und moralisierende Deutlichkeit dieser Inhalte verzichtet, so ist der Ernst dieser Botschaft, die vermittelt werden muss, bereits in ihrem Werk präsent. Um nicht mit der Kakophonie der Fake News verwechselt zu werden, weiß die Künstlerin, dass ihr Vokabular anders sein muss. Sie muss in einer Sprache sprechen, die erlebbar und überraschend ist, in der die Zuschauer einem Theaterstück beiwohnen, in dem der Plot ihr eigenes Erwachen ist. Eine der beunruhigendsten Folgen der globalen Erwärmung und der damit zusammen hängenden „Verbüßung“ der Ozeane, der Abnahme ihres Salzgehalts wird die Auflösung des Kalkschutzes der Krustentiere sein. In einer giftigen Suppe erstickt, werden sie sich auflösen, verflüssigt wie durchsichtige weißliche Schatten, als ob sie den Fächer der Zeit umkehren würden, der es geschafft hat, die ersten Organismen aus der Dichte der Meeresgewässer entstehen zu lassen. Der Bus kommt immer an. Das Signal ertönt, der QR-Code-Anzeiger geht los. Der Countdown. Die fliehenden Raumschiffe. Wacht auf! Aufwachen, aufwachen!
english translation:
Waiting for the signal
A reflection on the exhibition ‚waiting for the bus‘
at KunstBüdchen in Lintorf by Birgit Jensen
Beatriz V. Toscano
Those who stay: Bus Stop Am Löken
We see a painting with the continuous line of a horizon and a machine which makes a QR code visible at a certain moment. A landscape drenched in light, pink, perhaps orange, artificial in its beauty and strange serenity, at the same time desolate, over a dark field. In the middle of nowhere and suspended in the air, the ghost of a ring, closing to the beat of a countdown which, with each waning second, suggests that something imminent, something serious is about to happen. End of the countdown. There are no explosions, no great fractures, no relief. As tiny spaceships, eager not to miss their chance, soar into the air and disappear while the passer-by and spectator of this clip looks up, sighs tediously and gets on the bus. New passengers gather to wait. The bus arrives on time. The clip repeats again and again. From the eternal return of the bus, nothing ever happens; the travellers turn trapped in a time loop. Meanwhile the spaceships continue to leave from what has now become the place of destruction. Waiting for the bus, the candid travellers, clearly oblivious to the escaping saucers (we assume them to be absorbed in their smartphone screens), are helplessly left behind.
Within these sequences, which include cuts of the spaceships fleeing apocalyptic wastelands and the meaningless scenes of the bus stop by the corner store, Birgit Jensen´s installation for the KunstBüdchen in Lintorf can be seen as a jolt: wake up! When the different episodes (namely the bus sending the signal to the kiosk, the digital access code to the video, the urgent scene of something ending in a countdown) are considered, the intention of the work becomes clearer in terms of a contrast between the urgency of the clip and the boredom of a bus that always arrives. One may remember here the 'metamatic' chains with which Jean Tinguely amused himself by turning us into mischievous spectators of the cosmic laws of causality and movement; the installation, this time, in a sombre way, also alludes to the system of signals by which the buses warn the transport network system of their immediate arrival. In doing so, the installation reproduces that kind of cyborg-semiotics by which the urban environment converses with the processes and objects in it. The installation outlines this same chain reaction: the bus is approaching the Am Löken point. Just one minute before it arrives, the bus sends a radio signal to the bus stop where a kiosk, the Kunstbüdchen, is located, with a sophisticated radio receiver. The alarm is triggered and synchronised with a turning sign that drops slowly, and on which a QR-Code appears. Driven by the automatism of a flat and meaningless curiosity that we have arrived at through the virtual, the passengers, apathetic, connect through this code to a video. That takes just the same time as the bus takes to arrive: The countdown, the fleeing ships, anonymous travellers getting on and off. Nothing ever happens, the bus always comes again. But this bus, the bus stop, Godot, we already know, is just another name we have found to name, or rather, to avoid naming Death.
The video interweaves with scenes of real, everyday life, ‘Waiting for the Bus’ wants to slip through the cracks of our blind spots, those comfortable, shadowy places where our consciousness rests and from where we choose to do nothing. But as I said before, this work only reveals its pressing content subtly and in stages. A brief survey of Birgit Jensen's artistic vocabulary reveals an ulterior message that at first glance remains hidden. Think, for example, of her screen-printed canvases, where an insistent motif, a diffuse urban landscape, is barely glimpsed through a kind of numerical and pixelated veil that prevents us from being able to fix the image at all. The city is offered to us, not from its comprehensible, clear and tectonic contours, but from the fleeting impression left on our retina by its ephemeral existence as a flash of light. Faithful to the purest craftsmanship that is the origin of art, Birgit Jensen nevertheless does not abandon the materialistic and direct logic of printing colour on canvas, by which the image is returned to its purest and most direct carnality. Her canvases emerge as an indexed tracings and by virtue of the same digital techniques which, conversely, are capable of returning reality to the numerical matrix of the QR code. Also in ‘Waiting for the Bus' the key, the trigger is in the code, that kind of great threshold and entrance to a tunnel through which video, the digital environment, the mobile device and, of course, the consciousness of the traveller on which the work wants to act, finally manage to connect. They succeed in listening to each other. This is the opening of a language beyond the figurative; the opening of a channel of communication, no less direct and effective for being digital. With the pixel as an irreducible unit through which reality speaks to us in numerical code and with the QR code as its virtual instance, we sense that what we are dealing with here is something important to be deciphered.
And how can we ignore the constant of the circle? The disc, the sphere, the ring; a ubiquitous and spectral presence in her works and, I understand, another of the keys to understanding what ‘Waiting for the Bus’ means to us: maybe a nimbus in a light installation against a wall of a building in Flensburg (an oversized ring-shaped fluorescent tube, an installation on the entrance facade of the Fridtjof-Nansen-School, Flensburg, 2000) or in a painting of the moon in a clearing of a forest, which seems to float in the background, or as here in Lintorf, on the pressing dial of the Time, which is running down. Divorced from all scenography and beyond the figurative, the circle, disc and dial appear imbued with that enigmatic grandeur which is characteristic of the apotropaic (the avoidance of evil influences). The circle, the absolute geometric figure, almost imposing itself with its presence on a canvas that struggles to erase it, is partly reminiscent of that radical impulse by which Malevich decided with a black square in the middle of a canvas to return painting, and therefore figuration, to its most categorical and irrefutable degree zero (the painting ‘Black Square’ from 1915 is today in the Tretyakov-Gallery in Moscow). In the title of the exhibition in Petrograd where it is seen for the first time - the title was ‚0.10‘ - the geometric figure of the painting, in its pregnancy and universality, finally begins to reveal its message. Yes, also in code and cipher. The author Linda Boersma, who has documented this first exhibition of a movement that would later be called Suprematism, offers a quote from Malevich's idea: ‚The zero (which is a circle, after all) is a figure of thought and signifies that Suprematist painting recognises itself to be on the threshold of an imminent destruction of the world‘ (1914 Russia had already entered the First World War).
We can deduce or at least speculate that, behind the zero, behind the ring, behind the code, Lintorf's bus stop warns of imminent destruction. Destruction that, in this case, could only be climatic emergency and planetary catastrophe.
Those who are leaving: Mission SpaceX
Not far from Austin, in the state of Texas, Elon Musk bought an enormous plot of land to build a settlement called Snailbrook to house his Tesla workforce as well as SpaceX and now the recently founded company Boring. Musk's idyllic Snailbrook is part of the desire of so many magnats throughout history to reform the social body, lazy and depraved, around the utopia of ora et labora. Historiography reports that in most of these workers' colonies, there were no pubs, clubs or any other facilities suspected of promoting conscientious activities beyond the rational control of their founders. Speaking of their more distant references in the Jesuit missions of Latin America, Michel Foucault points out how the ideal of human perfection was achieved there. They sought to re-found civilisation as ex-nihilo, beyond outside, one might say, civilisation itself; corrupt, worn out and libertine. But these sorts of colonies 'outside civilisation' with communities created as ex-nihilo are the tectonic materialisation of the very concept of flight. It is not surprising that in German, they are called ‘Drop-outs’ or Aussteiger communities; those who have had enough and 'dropped down from the world' or even dropped the world down.
With Boring dedicated to the excavation of underground tunnels, and seen in the light of SpaceX, dedicated to the manufacture of spaceships to one day (the day 0.1 after planetary destruction) arrive at colonising Mars, it could be said that Musk's entrepreneurial activity is marked by the same impulse of a delirious, narcissistic and infantile desire to hide or to escape and colonise the unknown sidereal prairies. With tunnels and spaceships as two recurring architectural motifs, it is an alternating return from the warm protection of the uterine hollow to that total and terrifying openness that is the world, driven by the unbearable tension of two contradictory emotions: fear and grandiosity.
With its rows of square-cut houses and its ramshackle facilities and green spaces, Snailbrook is a clumsy rehearsal of that other one, the incredible EPCOT by which Walt Disney undertook to guarantee the continuity of the American dream on the day of 0.1 under the protection of enormous and peaceful domes (or blisters). Like Noah's Ark, the unmistakable symbol for the denialist, the ‘flat earthers’ and the members of the so-called Bible Belt represent the escape and salvation of the few selected ones, EPCOT is also inscribed with the ineffable seal of destruction. To flee is a privilege and the tiny pitiful spaceships in Birgit Jensen's video know that they are deserters from an end without end, because today we already know that, sadly, the planet will continue to exist, coagulated in time like an enormous brownish rock with orange sunsets and a poisonous atmosphere. That is why, in explaining his SpaceX project, Musk links planetary destruction with the need to flee to colonise Mars (Ref.: SXSW).
Architecture, along with other forms of technology, has cooperated to make this privilege viable. Similarly within the walls of an impressive Florentine mansion, time seems to have stood still for a group of jovial and well-adjusted young people who have taken refuge there, fleeing from the plague ravaging the city, as Boccaccio writes (1353). To kill time, they entertain themselves by recounting spicy and amorous events which are collected in The Decameron. Meanwhile, the Florentine population falls victim to the Black Death.
And those who leave are also trapped in a time loop. Recalling Luís Buñuel’s The Exterminating Angel (1962), the apparent comfort of shelter reminds us that there is no way out. In fact, in No Exit by Sartre (1944) too, the three guests in a room have no way out, a nihilistic portrait of a resolution that never materializes, they do not know that they are already dead.
The planet is destroyed. Those who remain choose to ignore it and return repetitively to their daily chores, adjusting to the rigours of an increasingly diminishing world. Those who leave, infatuated by the delirium of the super-ego, do not know that they, too, are already dead. While renouncing the obscene and moralistic explicitness of these contents, the gravity of this message must be communicated in what is already present in Birgit Jensen's work. In order not to be confused with the cacophony of fake news, the artist knows that her language must be different. A language that is experiential and surprising, where the spectators attend a theatrical piece where the transcript is their own awakening. Among the most disturbing consequences of global warming and the subsequent incorporation of fresh water into the oceans will be the dissolution of the calicifying protection of crustaceans. Suffocated in a toxic soup, they will begin to dissolve, liquefied like transparent whitish shadows, as if reversing that fan of time could reshape the first organisms from the density of marine waters. The bus always arrives. The signal bell rings, the QR code appears. The countdown. The fleeing spaceships. Wake up! Wake up!
Speestrasse 43a
D - 40885 Ratingen-Lintorf
andas@kunstbuedchen.online
Eröffnung am Sonntag, den 10.09.2023 um 15 Uhr
Finissage am Sonntag, den 12.11.2023 um 18 Uhr
HORIZONT (zweiteilig)
2 Leinwände jew. 210 x 285 cm
Acryl/Nessel
Lampe, Klingel, Gong, Schild mit Ausstellungsdaten und rückseitig QR-Code (Siebdruck auf MDF), Motor, Funkempfänger, Schaltkasten, Textposter, T-Shirts mit Ausstellungstitel/QR-Code/KunstBüdchen-Logo
Fotografie: Maximilian Kandora, Birgit Jensen
Pressetext:
"Wie eine Dunstglocke legen sich die Klimagase um die Erde. Dem Glasdach eines Treibhauses ähnlich, lassen sie kurzwelliges Sonnenlicht durch, reflektieren die langwellige Wärmestrahlung aber zurück zur Erde; die Wärme wird gefangen; der Planet erhitzt sich."
Vielschichtig ist die Arbeit 'waiting for the bus' der Düsseldorfer Künstlerin Birgit Jensen, die am Sonntag, 10. September 2023 im KunstBüdchen eröffnet wurde.
Zunächst einmal sieht der Betrachter eine diagonal aufgebaute riesige Leinwandarbeit der Künstlerin, die viel zu groß für den kleinen Raum ist und irgendwie fehl am Platz zu sein scheint. Die Arbeit zeigt eine Landschaft, unten Schwarz, darüber eine dünne Horizontlinie, ganz weit weg, in Rot-, Orange- und Gelbtöne getaucht, auf die sich der bläulich-schwarze Himmel niederlegt. Vereinzelte weiße Tupfen erwecken die Assoziation von Lichtern, Hinweise auf menschliches Leben? Die fast surreal, geheimnisvoll und unwirtlich anmutende Landschaft scheint in ihrer Endlosigkeit in den Tiefen des Büdchens zu verschwinden.
Belebt wird die Szenerie erst, wenn ein eigens dafür von der Rheinbahn eingerichtetes Gerät Funksignale aus dem bestehenden Netz empfängt, die den nahenden Bus ankündigen, dessen Haltestelle sich unmittelbar vor dem Büdchen befindet. Erst dann dreht sich das Schild im Schaufenster, so dass ein QR-Code sichtbar wird, der von den an der Bushaltestelle Wartenden mit dem Handy gescannt werden kann. Gleichzeitig ertönt eine Glocke, um die Aufmerksamkeit auf das Geschehen im Büdchen zu lenken.
Das Video, das über den QR-Code abgerufen wird, zeigt zunächst einen Ring, der sich mit herunterzählendem Countdown auflöst und so den Start der winzigen Raumschiffe markiert. Sie steigen in den Himmel auf und verlassen die unwirtliche Landschaft, die Erde, das Handy-Bild. Inzwischen ist der Bus da, die Fahrgäste steigen ein, der Bus verlässt den Haltepunkt und das Schild im Schaufenster des Büdchens nimmt wieder seine Ausgangsposition ein.
Dieser immer gleiche Ablauf wiederholt sich entsprechend den Ankunftszeiten der Linienbusse wie ein Räderwerk. Installation und Busverkehr synchronisieren sich für einen Moment und ermöglichen das Umsteigen in eine andere Welt.
Die Fahrgäste, die Teil dieser Maschinerie und dieses immer gleichen Ablaufs des Wartens, Abfahrens und Ankommens sind, werden in den Minuten unmittelbar vor Ankunft des Busses in die fiktive Szenerie des Video-Clips mit fliehenden Raumschiffen entführt.
Die Wartenden werden zu Betrachtenden und kehren mit ihren Eindrücken gewonnen aus der Welt der Installation der Künstlerin Birgit Jensen zurück in ihre eigene Realität.
Vielleicht nachdenklicher, vielleicht aufmerksamer….
Unser besonderer Dank gilt der Rheinbahn, die die technische Umsetzung der Installation ermöglichte.
(Sabine Tünkers)
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Der folgende Text von Beatriz V. Toscano ist Teil der Ausstellung (english translation see below):
Warten aufs Signal
Eine Reflektion zur Ausstellung ‚waiting for the bus‘ von Birgit Jensen
im KunstBüdchen Lintorf
Beatriz V. Toscano
Diejenigen, die bleiben: Die Bushaltestelle Am Löken
Zu sehen ist die durchgehende Linie des Horizonts. Eine in Licht getauchte Landschaft, hellrot, vielleicht orange, künstlich in ihrer Schönheit und seltsamen Heiterkeit, gleichzeitig trostlos, auf einer schwarzen Grundfläche. Mitten im Nirgendwo und in der Luft schwebend, der Geist eines Ringes, der sich im Takt eines Countdowns schließt, der mit jeder abnehmenden Sekunde andeutet, dass etwas Unabwendbares, etwas Ernstes passieren wird. Ende des Countdowns. Es gibt keine Explosionen, keine großen Brüche, keine Erlösung. Während sich winzige Raumschiffe, die ihre Chance nicht verpassen wollen, in die Luft erheben und verschwinden, hebt der Passant und Zuschauer den Blick, seufzt mit der Lustlosigkeit dessen, der auf den Bus wartet und steigt ein. Immer wieder kommen neue Menschen, sie warten. Der Bus kommt pünktlich an. Der Clip wiederholt sich und spielt wieder und wieder dieselbe Szene. Durch diese ewige Wiederkehr des Busses scheint es, als würde nie etwas passieren; die Reisenden sind in einer Zeitschleife gefangen. Die Raumschiffe versäumen es jedoch nicht, den Ort zu verlassen; so begreifen wir endlich, dass dieser der Ort der Zerstörung ist. Auf den Bus wartend bleiben die unbedarften Pendler, die von den entweichenden Raumschiffen offensichtlich nichts mitbekommen (wir nehmen an, dass sie in ihre Smartphone-Bildschirme vertieft sind), hilflos zurück.
Mit diesen Szenen - die eine von dem Clip der aus der apokalyptischen Einöde entfliehenden Raumschiffe, die andere von den banalen Wechselfällen des Haltes und Wartens am Büdchen - wird die Installation der Künstlerin Birgit Jensen für das KunstBüdchen in Lintorf wie ein Alarmsignal wahrgenommen: Wacht auf! Die Intention der Arbeit wird klarer, wenn wir die verschiedenen Episoden (nämlich der Bus, der das Signal an die Haltestelle sendet, der digitale Zugangscode für die Reisenden zum Video, die drängende Szene von etwas, das im Countdown endet), im Sinne eines Kontrasts zwischen der Dringlichkeit des Clips und der Langeweile eines Busses, der immer ankommt, betrachten. An die "metamatischen" Ketten erinnernd, mit denen sich Jean Tinguely amüsierte, indem er uns zu schelmischen Zuschauern der kosmischen Gesetze von Kausalität und Bewegung machte, deutet hier die Installation auf düstere Weise auf das System der Funksignale hin, mit denen die Busse das Verkehrsnetz über ihre unmittelbare Ankunft informieren. Auf diese Weise reproduziert die Installation jene Art von Cyborg-Semiotik, durch die die städtische Umgebung mit den Prozessen und Objekten in ihr kommuniziert. Die Installation skizziert eben diese Kettenreaktion: Der Bus nähert sich dem Punkt Am Löken. Eine Minute vor seiner Ankunft sendet er ein Funksignal an die Haltestelle, an der sich ein ehemaliger Kiosk, das KunstBüdchen, mit einem komplizierten Funkempfänger befindet. Der Alarm wird ausgelöst, synchronisiert mit einer skurrilen Mechanik, die einen QR-Code sichtbar werden lässt. Getrieben vom Automatismus einer anspruchslosen Neugier, die wir durch das Virtuelle erreicht haben, verbinden sich die Fahrgäste, apathisch, durch diesen Code mit einem Video. Ein Video, das genauso lange dauert, wie der Bus braucht, um anzukommen. Der Countdown, die fliehenden Raumschiffe, anonyme Reisende, die ein- und aussteigen. Es passiert nie etwas, der Bus kommt immer zurück. Aber dieser Bus, die Haltestelle, Godot, das wissen wir bereits, ist nur ein anderer Name, den wir gefunden haben, um den Tod zu benennen, oder besser gesagt, um zu vermeiden, ihn zu benennen.
Mit diesem Spiel der Erfahrungsräume, den vermeintlich fiktiven Räumen des Videos, die sich in die Szenen des realen, alltäglichen Lebens einweben, will ‚waiting for the bus‘ durch die Ritzen unserer blinden Flecken schlüpfen; jener bequemen, schattigen Orte, an denen unser Bewusstsein ruht und von denen aus wir nichts tun wollen. Aber wie ich schon sagte, enthüllt dieses Werk seinen drängenden Inhalt nur subtil und in Etappen. Ein kurzer Überblick über das bildnerische Vokabular von Birgit Jensen offenbart eine hintergründige Botschaft. Man denke zum Beispiel an ihre mit Hilfe des Siebdruckverfahrens hergestellten Leinwände, auf denen ein eindringliches Motiv, eine diffuse Stadtlandschaft, durch eine Art numerischen und verpixelten Schleier, der verhindert, dass wir das Bild überhaupt fixieren können, zu erahnen ist. Die Stadt bietet sich uns nicht durch ihre verständlichen, klaren und tektonischen Konturen an, sondern durch den flüchtigen Eindruck, den ihre ephemere Existenz als Lichtblitz auf unserer Netzhaut hinterlässt. Getreu der reinsten Handwerkskunst, die am Ursprung der Kunst steht, verzichtet Birgit Jensen jedoch nicht auf die Materialität und Direktheit des Drucks mit der Farbe auf Leinwand, durch den das Bild in seine reinste und direkteste Körperlichkeit zurückgeführt wird. Ihre Leinwände entstehen als analoge Spur und dank derselben digitalen Techniken, die umgekehrt in der Lage sind, die Realität in die numerische Matrix des Codes zu übersetzen. Auch in ‚waiting for the bus‘ liegt der Schlüssel, der Auslöser im QR-Code, dieser wunderbaren Schwelle und dem Eingang zum Tunnel, durch den zwischen dem Video, der Umgebung, dem mobilen Gerät und natürlich dem Bewusstsein des Reisenden, auf den das Werk einwirken will, eine Verbindung hergestellt wird. Sie schaffen es schließlich, einander zuzuhören. Es geht um das Einbringen einer Sprache jenseits des Figürlichen, um die Öffnung eines Kommunikationskanals, der prägnant und effektiv ist. Mit dem Pixel als irreduzibler Einheit, durch die die Realität in Form eines numerischen Codes zu uns spricht, und mit dem QR-Code als dessen virtueller Version, spüren wir, dass wir es hier mit etwas Wichtigem zu tun haben, das es zu ‚ent-ziffern‘ gilt.
Und wie könnten wir die Konstante des Kreises, der Scheibe, der Kugel, des Rings ignorieren; eine allgegenwärtige und metaphysische Präsenz in so vielen von Birgit Jensens Werken und, wie ich meine, ein weiterer Schlüssel zum Verständnis dessen, was ‚waiting for the bus‘ uns sagen will.
Ein Kreis taucht auf als Nimbus in einer Lichtinstallation der Künstlerin an der Wand eines Gebäudes in Flensburg [Ringförmige Leuchtstoffröhre, Installation auf der Eingangsfassade der Fridtjof-Nansen-Schule, Flensburg, 2000], oder als Mond auf einer Waldlichtung, der in der Ferne zu schweben scheint, oder wie hier in Lintorf als sich schließender Kreis auf dem drängenden Zifferblatt der ablaufenden Zeit. Losgelöst von jeglicher Szenografie erscheinen Kreis, Scheibe und Zifferblatt von jener rätselhaften Erhabenheit durchdrungen, die dem Apotropäischen, dem Unheil abwendenden, eigen ist. Der Kreis, die absolute geometrische Figur, die sich mit ihrer Anwesenheit auf einer Leinwand geradezu aufdrängt, erinnert teilweise an jenen radikalen Impuls, mit dem Malewitsch (1915 Tretjakow, Moskau) mit einem schwarzen Quadrat in der Mitte einer Leinwand beschloss, die Malerei und damit die Figuration auf ihren kategorischen und unwiderlegbaren Nullpunkt zurückzuführen. Der Titel der Ausstellung in Petrograd, wo dieses Bild zum ersten Mal zu sehen ist, heißt 0.10. Hier beginnt die geometrische Figur des Gemäldes in ihrer Prägnanz und Universalität ihre Botschaft zu offenbaren. Ja, auch in Code und Chiffre. Die Autorin Linda Boersma, die diese erste Ausstellung einer Bewegung, die später Suprematismus genannt werden sollte, dokumentiert hat, zitiert Malewitschs Idee: Die Null (kurz: der Kreis) ist eine Denkfigur und bedeutet, dass sich die suprematistische Malerei an der Schwelle zu einer drohenden Zerstörung der Welt erkennt. 1914 ist Russland bereits in den Ersten Weltkrieg eingetreten.
Wir können daraus schließen oder zumindest vermuten, dass die Null, der Ring, der Code und Lintorfs Haltestelle vor einer bevorstehenden Zerstörung warnt. Eine Zerstörung, bei der es sich in diesem Fall nur um eine klimatische Notlage und eine planetarische Katastrophe handeln kann.
Diejenigen, die gehen: Mission SpaceX
Unweit von Austin, im Bundesstaat Texas, hat Elon Musk ein 2500 Hektar großes Grundstück erworben, um dort eine Siedlung zu errichten, in der die Belegschaft seines Unternehmens Tesla, Space X und der kürzlich gegründeten Firma Boring, die sich dem Bohren von Tunneln widmet, untergebracht werden soll. Damit reiht sich Musks idyllisches Snailbrook in das Bestreben so vieler Magnaten im Laufe der Geschichte ein, den „faulen und verdorbenen Gesellschaftskörper“ im Sinne der Utopie des ora et labora zu reformieren. Die Geschichtsschreibung berichtet, dass es in den meisten dieser Kolonien keine Kneipen, Klubs oder andere Einrichtungen gab, die im Verdacht stünden, gewissenhaften Zeitvertreib jenseits der rationalen Kontrolle ihrer Gründer zu fördern. In Bezug auf die Jesuitenmissionen in Lateinamerika weist Michel Foucault darauf hin, wie dort das Ideal der menschlichen Vollkommenheit erreicht wurde. Sie versuchten, die Zivilisation Ex-nihilo neu zu gründen, jenseits des Staates, den sie für korrupt, abgenutzt und zu freizügig. Aber diese Art von Kolonien "außerhalb der Zivilisation" mit Gemeinschaften, die Ex-nihilo geschaffen wurden, sind auch die tektonische Materialisierung, der Inbegriff des Konzepts der Flucht. Es ist nicht verwunderlich, dass man sie auf Deutsch ‚Aussteiger-Gemeinschaften‘ nennt; es sind Zusammenschlüsse von Menschen, die genug haben und vom Dreck der Welt die Nase voll haben.
Mit Boring, das sich dem Graben von unterirdischen Tunneln widmet, und im Lichte von Space X, das sich der Konstruktion von Raumschiffen widmet, um eines Tages (am Tag 0,1 nach der Zerstörung des Planeten) den Mars zu kolonisieren, könnte man sagen, dass Musks unternehmerische Tätigkeit von demselben Impuls eines wahnhaften und narzisstischen infantilen Wunsches geprägt ist, sich zu verstecken oder zu entkommen und die unbekannten galaktischen Prärien zu kolonisieren. Mit Tunneln und Raumschiffen als den beiden wiederkehrenden architektonischen Konkretionen ist es eine abwechselnde Rückkehr aus dem warmen Schutz der Gebärmutterhöhle zu jener totalen und furchteinflössenden Offenheit, die das Universum ist, angetrieben von der unerträglichen Spannung zweier widersprüchlicher Emotionen: Angst und Größenwahn.
Mit seinen Reihen quadratischer Häuser, seinen biederen Siedlungen und Grünflächen ist Snailbrook ein unbeholfenes Experiment jener anderen Utopie, des unglaublichen EPCOT, mit dem Walt Disney am Tag 0.1 unter dem Schutz riesiger und friedfertiger Kuppeln (Blasen) den Fortbestand des amerikanischen Traums garantieren wollte. Wie die Arche Noah, die unter den Kreationisten des sogenannten Bibelgürtels als untrügliches Symbol für die Flucht und Rettung der Auserwählten gilt, ist auch EPCOT mit dem unaussprechlichen Siegel der Zerstörung beschriftet. Zu fliehen ist ein Privileg, und die erbärmlichen Raumschiffe in Birgit Jensens Videoclip wissen, dass sie Deserteure eines Endes ohne Ende sind, denn wir wissen heute schon, dass der Planet weiter existieren wird, geronnen in der Zeit wie ein riesiger bräunlicher Fels mit orangefarbenen Sonnenuntergängen und einer giftigen Atmosphäre. Deshalb verknüpft Musk bei der Erläuterung seines Projekts Space X die Zerstörung des Planeten an die Notwendigkeit, zu fliehen und den Mars zu besiedeln (siehe: SXSW).
Die Architektur hat zusammen mit anderen Formen der Technologie dazu beigetragen, dass ein solches Privileg realisierbar ist. In den Mauern eines beeindruckenden florentinischen Herrenhauses scheint die Zeit für eine Gruppe fröhlicher junger Menschen stehen geblieben zu sein, die dort Zuflucht vor der Pest gefunden haben, die die Stadt heimsucht, wie Boccaccio schreibt. Um sich die Zeit zu vertreiben, unterhalten sie sich mit pikanten und amourösen Geschichten. Daraus entsteht das Decameron. Währenddessen fällt die florentinische Bevölkerung dem Schwarzen Tod zum Opfer.
Und auch diejenigen, die gehen, sind in einer Zeitschleife gefangen. Als Buñuel uns am Ende von ‚Der Würgeengel‘ zurück lässt, erinnert uns der scheinbare Komfort des Schutzes daran, dass es keinen Ausweg gibt. Tatsächlich wissen die drei Gäste in Huis Clos (Sartre) in einem Zimmer ohne Ausweg, einem nihilistischen Porträt einer Auflösung, die nie kommt, nicht, dass sie bereits tot sind.
Der Planet ist zerstört. Diejenigen, die zurückbleiben, wollen es ignorieren und kehren zu ihren täglichen Aufgaben zurück, um sich an die Unbilden einer immer knapper werdenden Welt anzupassen. Diejenigen, die gehen, betört vom Wahn des Über-Ichs, wissen nicht, dass auch sie bereits tot sind. Auch wenn Birgit Jensen auf die obszöne und moralisierende Deutlichkeit dieser Inhalte verzichtet, so ist der Ernst dieser Botschaft, die vermittelt werden muss, bereits in ihrem Werk präsent. Um nicht mit der Kakophonie der Fake News verwechselt zu werden, weiß die Künstlerin, dass ihr Vokabular anders sein muss. Sie muss in einer Sprache sprechen, die erlebbar und überraschend ist, in der die Zuschauer einem Theaterstück beiwohnen, in dem der Plot ihr eigenes Erwachen ist. Eine der beunruhigendsten Folgen der globalen Erwärmung und der damit zusammen hängenden „Verbüßung“ der Ozeane, der Abnahme ihres Salzgehalts wird die Auflösung des Kalkschutzes der Krustentiere sein. In einer giftigen Suppe erstickt, werden sie sich auflösen, verflüssigt wie durchsichtige weißliche Schatten, als ob sie den Fächer der Zeit umkehren würden, der es geschafft hat, die ersten Organismen aus der Dichte der Meeresgewässer entstehen zu lassen. Der Bus kommt immer an. Das Signal ertönt, der QR-Code-Anzeiger geht los. Der Countdown. Die fliehenden Raumschiffe. Wacht auf! Aufwachen, aufwachen!
english translation:
Waiting for the signal
A reflection on the exhibition ‚waiting for the bus‘
at KunstBüdchen in Lintorf by Birgit Jensen
Beatriz V. Toscano
Those who stay: Bus Stop Am Löken
We see a painting with the continuous line of a horizon and a machine which makes a QR code visible at a certain moment. A landscape drenched in light, pink, perhaps orange, artificial in its beauty and strange serenity, at the same time desolate, over a dark field. In the middle of nowhere and suspended in the air, the ghost of a ring, closing to the beat of a countdown which, with each waning second, suggests that something imminent, something serious is about to happen. End of the countdown. There are no explosions, no great fractures, no relief. As tiny spaceships, eager not to miss their chance, soar into the air and disappear while the passer-by and spectator of this clip looks up, sighs tediously and gets on the bus. New passengers gather to wait. The bus arrives on time. The clip repeats again and again. From the eternal return of the bus, nothing ever happens; the travellers turn trapped in a time loop. Meanwhile the spaceships continue to leave from what has now become the place of destruction. Waiting for the bus, the candid travellers, clearly oblivious to the escaping saucers (we assume them to be absorbed in their smartphone screens), are helplessly left behind.
Within these sequences, which include cuts of the spaceships fleeing apocalyptic wastelands and the meaningless scenes of the bus stop by the corner store, Birgit Jensen´s installation for the KunstBüdchen in Lintorf can be seen as a jolt: wake up! When the different episodes (namely the bus sending the signal to the kiosk, the digital access code to the video, the urgent scene of something ending in a countdown) are considered, the intention of the work becomes clearer in terms of a contrast between the urgency of the clip and the boredom of a bus that always arrives. One may remember here the 'metamatic' chains with which Jean Tinguely amused himself by turning us into mischievous spectators of the cosmic laws of causality and movement; the installation, this time, in a sombre way, also alludes to the system of signals by which the buses warn the transport network system of their immediate arrival. In doing so, the installation reproduces that kind of cyborg-semiotics by which the urban environment converses with the processes and objects in it. The installation outlines this same chain reaction: the bus is approaching the Am Löken point. Just one minute before it arrives, the bus sends a radio signal to the bus stop where a kiosk, the Kunstbüdchen, is located, with a sophisticated radio receiver. The alarm is triggered and synchronised with a turning sign that drops slowly, and on which a QR-Code appears. Driven by the automatism of a flat and meaningless curiosity that we have arrived at through the virtual, the passengers, apathetic, connect through this code to a video. That takes just the same time as the bus takes to arrive: The countdown, the fleeing ships, anonymous travellers getting on and off. Nothing ever happens, the bus always comes again. But this bus, the bus stop, Godot, we already know, is just another name we have found to name, or rather, to avoid naming Death.
The video interweaves with scenes of real, everyday life, ‘Waiting for the Bus’ wants to slip through the cracks of our blind spots, those comfortable, shadowy places where our consciousness rests and from where we choose to do nothing. But as I said before, this work only reveals its pressing content subtly and in stages. A brief survey of Birgit Jensen's artistic vocabulary reveals an ulterior message that at first glance remains hidden. Think, for example, of her screen-printed canvases, where an insistent motif, a diffuse urban landscape, is barely glimpsed through a kind of numerical and pixelated veil that prevents us from being able to fix the image at all. The city is offered to us, not from its comprehensible, clear and tectonic contours, but from the fleeting impression left on our retina by its ephemeral existence as a flash of light. Faithful to the purest craftsmanship that is the origin of art, Birgit Jensen nevertheless does not abandon the materialistic and direct logic of printing colour on canvas, by which the image is returned to its purest and most direct carnality. Her canvases emerge as an indexed tracings and by virtue of the same digital techniques which, conversely, are capable of returning reality to the numerical matrix of the QR code. Also in ‘Waiting for the Bus' the key, the trigger is in the code, that kind of great threshold and entrance to a tunnel through which video, the digital environment, the mobile device and, of course, the consciousness of the traveller on which the work wants to act, finally manage to connect. They succeed in listening to each other. This is the opening of a language beyond the figurative; the opening of a channel of communication, no less direct and effective for being digital. With the pixel as an irreducible unit through which reality speaks to us in numerical code and with the QR code as its virtual instance, we sense that what we are dealing with here is something important to be deciphered.
And how can we ignore the constant of the circle? The disc, the sphere, the ring; a ubiquitous and spectral presence in her works and, I understand, another of the keys to understanding what ‘Waiting for the Bus’ means to us: maybe a nimbus in a light installation against a wall of a building in Flensburg (an oversized ring-shaped fluorescent tube, an installation on the entrance facade of the Fridtjof-Nansen-School, Flensburg, 2000) or in a painting of the moon in a clearing of a forest, which seems to float in the background, or as here in Lintorf, on the pressing dial of the Time, which is running down. Divorced from all scenography and beyond the figurative, the circle, disc and dial appear imbued with that enigmatic grandeur which is characteristic of the apotropaic (the avoidance of evil influences). The circle, the absolute geometric figure, almost imposing itself with its presence on a canvas that struggles to erase it, is partly reminiscent of that radical impulse by which Malevich decided with a black square in the middle of a canvas to return painting, and therefore figuration, to its most categorical and irrefutable degree zero (the painting ‘Black Square’ from 1915 is today in the Tretyakov-Gallery in Moscow). In the title of the exhibition in Petrograd where it is seen for the first time - the title was ‚0.10‘ - the geometric figure of the painting, in its pregnancy and universality, finally begins to reveal its message. Yes, also in code and cipher. The author Linda Boersma, who has documented this first exhibition of a movement that would later be called Suprematism, offers a quote from Malevich's idea: ‚The zero (which is a circle, after all) is a figure of thought and signifies that Suprematist painting recognises itself to be on the threshold of an imminent destruction of the world‘ (1914 Russia had already entered the First World War).
We can deduce or at least speculate that, behind the zero, behind the ring, behind the code, Lintorf's bus stop warns of imminent destruction. Destruction that, in this case, could only be climatic emergency and planetary catastrophe.
Those who are leaving: Mission SpaceX
Not far from Austin, in the state of Texas, Elon Musk bought an enormous plot of land to build a settlement called Snailbrook to house his Tesla workforce as well as SpaceX and now the recently founded company Boring. Musk's idyllic Snailbrook is part of the desire of so many magnats throughout history to reform the social body, lazy and depraved, around the utopia of ora et labora. Historiography reports that in most of these workers' colonies, there were no pubs, clubs or any other facilities suspected of promoting conscientious activities beyond the rational control of their founders. Speaking of their more distant references in the Jesuit missions of Latin America, Michel Foucault points out how the ideal of human perfection was achieved there. They sought to re-found civilisation as ex-nihilo, beyond outside, one might say, civilisation itself; corrupt, worn out and libertine. But these sorts of colonies 'outside civilisation' with communities created as ex-nihilo are the tectonic materialisation of the very concept of flight. It is not surprising that in German, they are called ‘Drop-outs’ or Aussteiger communities; those who have had enough and 'dropped down from the world' or even dropped the world down.
With Boring dedicated to the excavation of underground tunnels, and seen in the light of SpaceX, dedicated to the manufacture of spaceships to one day (the day 0.1 after planetary destruction) arrive at colonising Mars, it could be said that Musk's entrepreneurial activity is marked by the same impulse of a delirious, narcissistic and infantile desire to hide or to escape and colonise the unknown sidereal prairies. With tunnels and spaceships as two recurring architectural motifs, it is an alternating return from the warm protection of the uterine hollow to that total and terrifying openness that is the world, driven by the unbearable tension of two contradictory emotions: fear and grandiosity.
With its rows of square-cut houses and its ramshackle facilities and green spaces, Snailbrook is a clumsy rehearsal of that other one, the incredible EPCOT by which Walt Disney undertook to guarantee the continuity of the American dream on the day of 0.1 under the protection of enormous and peaceful domes (or blisters). Like Noah's Ark, the unmistakable symbol for the denialist, the ‘flat earthers’ and the members of the so-called Bible Belt represent the escape and salvation of the few selected ones, EPCOT is also inscribed with the ineffable seal of destruction. To flee is a privilege and the tiny pitiful spaceships in Birgit Jensen's video know that they are deserters from an end without end, because today we already know that, sadly, the planet will continue to exist, coagulated in time like an enormous brownish rock with orange sunsets and a poisonous atmosphere. That is why, in explaining his SpaceX project, Musk links planetary destruction with the need to flee to colonise Mars (Ref.: SXSW).
Architecture, along with other forms of technology, has cooperated to make this privilege viable. Similarly within the walls of an impressive Florentine mansion, time seems to have stood still for a group of jovial and well-adjusted young people who have taken refuge there, fleeing from the plague ravaging the city, as Boccaccio writes (1353). To kill time, they entertain themselves by recounting spicy and amorous events which are collected in The Decameron. Meanwhile, the Florentine population falls victim to the Black Death.
And those who leave are also trapped in a time loop. Recalling Luís Buñuel’s The Exterminating Angel (1962), the apparent comfort of shelter reminds us that there is no way out. In fact, in No Exit by Sartre (1944) too, the three guests in a room have no way out, a nihilistic portrait of a resolution that never materializes, they do not know that they are already dead.
The planet is destroyed. Those who remain choose to ignore it and return repetitively to their daily chores, adjusting to the rigours of an increasingly diminishing world. Those who leave, infatuated by the delirium of the super-ego, do not know that they, too, are already dead. While renouncing the obscene and moralistic explicitness of these contents, the gravity of this message must be communicated in what is already present in Birgit Jensen's work. In order not to be confused with the cacophony of fake news, the artist knows that her language must be different. A language that is experiential and surprising, where the spectators attend a theatrical piece where the transcript is their own awakening. Among the most disturbing consequences of global warming and the subsequent incorporation of fresh water into the oceans will be the dissolution of the calicifying protection of crustaceans. Suffocated in a toxic soup, they will begin to dissolve, liquefied like transparent whitish shadows, as if reversing that fan of time could reshape the first organisms from the density of marine waters. The bus always arrives. The signal bell rings, the QR code appears. The countdown. The fleeing spaceships. Wake up! Wake up!