Linz am Rhein
Die physische Präsenz eines Bildes ist die Zweidimensionalität der Leinwand. Der Moment der Bildbetrachtung aber umfasst wesentlich mehr. Er bildet die Schwelle zwischen kollektivem und persönlichem Wissen, Verunsicherung und Selbstreflexion. Die Verwandlung der physischen Realität in Wahrnehmung und Erkenntnis ist ein emotionaler Prozess, bei dem das Bild mit der Erinnerung des Betrachters spielt.
Birgit Jensen nennt ihre Ausstellung im Kunstverein Linz thoughtscapes. Ihre Bilder handeln von gedachten Landschaften. Trotzdem findet der Betrachter dort Versatzstücke der Wirklichkeit, zum Beispiel ein Teilstück der Chinesichen Mauer, die Chephren-Pyramide von Gizeh oder eine der aus dem 6. Jahrh. stammenden Buddha-Statuen im Bamiyan Tal in Afghanistan vor ihrer Zerstörung durch die Taliban im März 2001. Durch die uns umgebende Bilderflut sind solche „Sehenswürdigkeiten“ allseits bekannt. Dabei werden sie nicht nur geographisch oder historisch definiert, sondern dienen gleichzeitig als Symbole für Parallelwelten, bei denen die Realität in den Hintergrund tritt. Sie werden durch das kollektive Bewusstsein mit einer politischen, mythologischen, religiösen oder ästhetischen Bedeutung aufgeladen, deren Popularität sich mit ihrer medialen Verbreitung ständig verändert.
So wie oft der Mythos die Wirklichkeit vergessen lässt, verschwindet auf den Bildern von Birgit Jensen das Bildmotiv beim genauen Hinsehen, nämlich mit abnehmender räumlicher Betrachterdistanz. Abbildhaftigkeit und Abstraktion gehen ineinander über. Ein Objekt verwandelt sich in eine ungegenständliche Form, Erkennbares in Abstraktes, Mythos in eine neue systemorientierte Realität. In Birgit Jensens Werk spielt das unvorhersehbare Umschlagen von einem Zustand in den anderen eine Schlüsselrolle. Der Übergang von einer Wahrnehmungsebene auf eine andere gewährt einen Zugang zum Unterschwelligen. Das Medium der Malerei selbst wird hier zum Thema gemacht.