Weidenweg 10
47059 Duisburg
Installationsansichten im Kunstverein Duisburg
Fotos: Frank M. Fischer
Die großformatigen Bilder handeln von monumentalen Orten, die durch das kollektive Bewusstsein mit einer mythologischen oder religiösen Bedeutung aufgeladen sind. Sie sind geographischer Ort oder Naturereignis und gleichzeitig Symbol für eine Parallelwelt, bei der die Realität in den Hintergrund tritt.
Die Popularität solcher Orte wächst mit ihrer medialen Verbreitung. So wie der Mythos eines Ortes die Wirklichkeit vergessen lässt, verschwindet auf den Bildern von Birgit Jensen das Bildmotiv mit abnehmender räumlicher Betrachterdistanz.
Abbildhaftigkeit und Abstraktion gehen ineinander über. Eine Figur verwandelt sich in eine ungegenständliche Form, Erkennbares in Abstraktes, Mythos in Realität. Der Übergang bildet eine undefinierte Schwelle. Birgit Jensen befragt das Bildmotiv nach seiner Transzendenz. Sie bezieht sich hierbei auf das Passagen-Werk von Walter Benjamin. Übergänge und Schwellen („Passagen“) sind demnach offene Zonen des Wandels, des unvorhersehbaren Umschlagens von einem Zustand in einen anderen. Sie gewähren einen Zugang zum Unterschwelligen, zum Subtext und Kontext.
Diese Transformation des Bildgegenstandes erfolgt in der Malerei von Birgit Jensen durch eine individuell geartete Aufsplittung in Einzelinformationen, die mittels von Hand gesetzter Rasterpunkte erzeugt wird. Sie unterliegt einem malerischen Konzept, welches seine visuelle Komplexität den Erkenntnissen der Op Art verdankt. Jeder gemalte Punkt erfüllt die Funktion eines Links zwischen malerischem Abstraktionsgrad und der Welt der massenhaft reproduzierten Bilder.
Der Herstellungsprozess der Bilder gliedert sich in zwei Ebenen: das Motiv wird rasterartig mit dem Pinsel auf eine Folie gemalt. Diese bildet die Grundlage für den späteren Siebdruck auf die Leinwand, das Unikat. Birgit Jensen verschiebt den künstlerischen Vorgang von der Unmittelbarkeit des malerischen Farbauftrags hin zur medialen Vermittlung. Hiermit nimmt sie am aktuellen Diskurs der Gegenwartskunst teil. Das Medium der Malerei selbst wird zum Thema gemacht, indem die Malerei als solche lediglich vorgeführt wird. Malerei wird abgebildet.
Birgit Jensen verwendet hierfür sparsame Ausdrucksmittel. Die Realität des Bildes ist die Zweidimensionalität der Leinwand und der ebenmäßige Farbauftrag. Der Moment der Bildbetrachtung aber umfasst wesentlich mehr als dessen physische Präsenz. Er bildet die Schwelle zwischen Erkenntnis, kollektivem Wissen, Verunsicherung und Selbstreflexion.
Hartmut Hauschildt
1 Walter Benjamin begann 1927 mit der Passagenarbeit. Nach seinem Selbstmord 1940 auf der Flucht vor den Nazis hinterließ er über 900 eng beschriebene Seiten, die 1982 erstmals unter dem Titel „Das Passagen-Werk“ im Suhrkamp Verlag erschienen.
Benjamin bezeichnet die Passage als einen „Schwellenort, an dem Drinnen und Draussen, Traum und Wachen, die Unterwelt der Antike und die moderne Warenwelt ineinander übergehen“. Dieser Prozess besitzt „erkenntnisfördernde Exterritorialität“.