DIE GROSSE 2025
Preisträgerin Birgit Jensen
Eröffnung: 28.06.2025
29.06.2025 - 03.08.2025
Kunstpalast, NRW-Forum, Ehrenhof
Düsseldorf
Fotos: Maximilian Kandora
DIE GROSSE 2025
Kunstpreisträgerin - Birgit Jensen
Jedes Jahr verleiht DIE GROSSE den Kunstpreis der Künstler. In der regionalen Kunstszene hat diese Ehrung eine besondere Bedeutung: Anders als vergleichbare Auszeichnungen, die meist von Museumsfachleuten stammen, wird der Preis von Künstler*innen vergeben und ist somit Ausdruck einer kollegialen Wertschätzung.
Dieses Jahr erhält Birgit Jensen den Kunstpreis der Künstler. 1957 in Würzburg geboren, studierte Jensen Malerei in Berlin und kam 1985 nach Düsseldorf, wo sie bis heute lebt. Ihre Praxis verortet sich zwischen Malerei und Drucktechnik und schafft ein komplexes Crossover beider Medien, um deren traditionelle Grenzen zu verwischen. Darüber hinaus legt Jensen die Prinzipien von massenmedial produzierten Bildern frei und hinterfragt deren Rezeption. Ihre Auseinandersetzung mit Landschaftsmotiven, die auf manches Klischee dieses Genres anspielen, zeugt von einer Reflektion über die innere Logik von Bildern und über die Vorstellung von Schönheit im Allgemeinen. Dieser analytische Balanceakt zwischen Malerei und Druck, zwischen Natur und Abbild der Natur, gepaart mit Jensens stetigem kulturpolitischen Engagement in der lokalen Kunstszene, überzeugte das Gremium des Kunstpreises der Künstler.
Birgit Jensen ist eine Grenzgängerin, die den Grenzgang zum expliziten Sujet ihrer Kunst macht. Sie malt ohne Pinsel und arbeitet seit 1990 ausschließlich mit Siebdruck und anderen Schablonentechniken. Ihr Umgang mit einer Technik, die eigentlich dazu dient, relativ flache Motive in hoher Auflage zu vervielfältigen, ist paradox: Ihre Bilder sind Unikate, die mit der Hand auf Leinwand gedruckt werden. Sie stehen damit der Malerei näher als der Grafik. Dank des Einsatzes von verschiedenen Rastern, die eine große Vielfalt an Oberflächeneffekten ermöglichen, fingiert die Künstlerin eine malerische Gestik, die mitunter die Nähe zur expressiven Abstraktion (vor allem zu den Drip Paintings) sucht. Zudem konzentriert sich Jensen auf formale Fragestellungen, die in der Malerei typisch sind und wofür der Siebdruck als ungeeignet erscheint, wie zum Beispiel die Entwicklung einer malerisch-räumlichen Bildtiefe oder die Erzeugung von komplexen Farbverläufen.
Ihre Bilder der letzten Jahre erinnern an manche Motive der romantischen Malerei. Es sind meistens klassische Landschaften, die die Betrachtenden mit einer ikonenhaften Naturidylle konfrontieren: Ein Sonnenuntergang am See oder der Halo des Vollmondes hinter kahlen Ästen. Mit starken Hell-Dunkel-Kontrasten, harmonischen Bildkompositionen und eklatanten Farben, die in weichen Verläufen dekliniert werden, bezieht sich Jensen unter anderem auf japanische Holzschnitte des 19. Jahrhunderts. In der Tat hat sich die Künstlerin intensiv mit dieser Tradition beschäftigt, aber auch die deutsche Malerei dieser Zeit wird zu einer Inspiration.
Genau wie die Kompositionen vom großen Meister der Landschaftsmalerei Caspar David Friedrich, bestehen Jensens Arbeiten aus vielen einzelnen, zusammengesetzten Versatzstücken, die in einem Kompositbild kombiniert werden. Das große Bild „Paradise Beach“ vereint beispielsweise unterschiedliche Einzelaufnahmen von fotografierten Landschaften und integriert sogar eine Wolke aus einem Gemälde von Friedrich. Die Motive sind somit Konstruktionen, die eine Idee der (von?) Natur – und keinen realen Ort – darstellen. Dieser künstliche Charakter wird auch durch das Sichtbarmachen des technischen Hintergrunds des Bildes betont. Bei näherer Beobachtung ist in Teilbereichen des Bildes die siebdrucktypische Rasterung, die die Illusion von Realität unterminiert und zu einem Verfremdungseffekt beiträgt, deutlich zu erkennen.
Birgit Jensens Bilder sind also doppelbödig. Ihre atmosphärischen und emotional aufgeladenen Motive, die mit kulturellen Stereotypen spielen, üben eine hohe ästhetische Anziehungskraft aus. Aber schnell merken wir: Die konstruierte Natur auf der Leinwand hat mit der echten Natur wenig zu tun. Die Realität des Bildes ist eine andere als die Realität der Natur; und es gehört zu einem aufgeklärten Blick, beide Realitäten nicht miteinander zu verwechseln - auch wenn sie hier beide gekonnt ineinander verwoben sind.
Emmanuel Mir