reIMAGINEd2
Make Art Visible
kuratiert von Zahra Hasson-Taheri
23.10. - 02.11.2024
Hamburg
Abbildungen:
HAFU I 2019, 170 x 140 cm, Acryl/Leinwand
GAZE 2023, 170 x 140 cm, Acryl/Leinwand
SEARCHING FOR MUSHROOMS I 2023, 100 x 75 cm, Acryl/Jute
Fotos: Martin Wittwer (HAFU I), Maximilian Kandora, Zahra Hassan-Taheri (Installationsansicht)
Auf Birgit Jensens Bildern ist Landschaft kein Fenster zur Welt, sondern eine bewusst gebaute Oberfläche. Birgit beschreibt ihre Praxis als „Malerei, ohne dass ich male“: Mit Siebdruck und computergestützten Rastertechniken schichtet sie fotografische und künstlich erzeugte Elemente zu Bildräumen, die real erscheinen und zugleich ihre Artifizialität offenlegen. Farbe folgt dabei keiner Naturbeobachtung, sondern einer inneren Logik, die Atmosphäre erzeugt. Sie ist nie neutral, sondern stets an Objekte gebunden: Trägerin von Stimmungen, Erinnerungen und Bedeutungen.
In GAZE (170 × 140 cm, 2023) verdichtet sich dieser Ansatz exemplarisch. Ein Baum, der gegen die gewohnte Blickordnung gesetzt ist, irritiert den Blick und hebt die Konstruiertheit des Bildraums hervor. Das Werk entfaltet sich im großformatigen Maß als Raum, der den Blick lenkt und zugleich in einen gedachten Raum erweitert. Die Installation im Raum der Ausstellung bei Make ART Visible in Hamburg verstärkt diesen Eindruck: Durch die Wandfarbe weitet sich das Bild, es endet nicht an der Leinwand, sondern setzt sich in den Raum hinein fort.
Jensens Werk bewegt sich zwischen Malerei, Druckgrafik und Fotografie. Ein Hybrid, das analoge Verfahren mit digitalen Strukturen verbindet und so eine Bildsprache schafft, die zugleich vertraut und neu wirkt. Im kunsthistorischen Kontext knüpft sie an die lange Genealogie des Landschaftsbildes an: von den arkadischen Räumen der Renaissance über die romantischen Visionen Caspar David Friedrichs bis hin zur Dekonstruktion in der Moderne. Ihre Arbeiten führen diese Traditionen weiter, indem sie das Genre aufbrechen und Landschaft als bewusst konstruiertes und gleichzeitig fluides Bildsystem sichtbar machen.
Dabei greift Jensen die Flächigkeit des japanischen Holzschnitts auf und überträgt sie in die digitale Gegenwart. Ihre Bildräume rufen bekannte Assoziationen hervor, gleichzeitig sind sie ort- und zeitlos; sie wirken wie Bühnenräume, die die Landschaft als kulturellen Code erfahrbar machen.
So entstehen Landschaftsansichten, die zugleich atmosphärische Räume und Reflexionen über unseren veränderten Lebensraum im digitalen Zeitalter sind. Jensen kommentiert die allgegenwärtige Bilderflut und zeigt, wie sehr digitale Medien unsere Wahrnehmung prägen, Erinnerungen überlagern und Sehnsucht codieren.
Zahra Hasson-Taheri